Die Erdbebenwarte München

Der seismologische Dienst in Bayern kann auf eine über 100-jährige Geschichte zurückblicken. 1905 wurde auf dem Gelände der Kgl. Sternwarte München-Bogenhausen eine seismologische Station in Betrieb genommen und gleichzeitig die Stelle eines Observators durch Dr. Karl-Wolfgang Lutz besetzt. Die Instrumentierung der Station bestand aus einem Wiechert'schen astatischen Horizontalseismographen (s. Abb.) mit einer Masse von 1200 kg, der dort ununterbrochen bis 1944 registrierte. Parallel zu diesen sogenannten mikroseismischen Registrierungen wurde auch ein makroseismischer Dienst für Bayern organisiert, d.h. beim Auftreten von fühlbaren oder gar schadensverursachenden Beben wurden mittels Fragebögen die Auswirkungen auf Menschen und Gebäude ermittelt und entsprechende makroseismische Karten erstellt, die dann in Katalogen veröffentlicht wurden.

1909 wurde in Hof a. d. Saale eine seismologische Station mit zwei kleinen Wiechert'schen Horizontal- und Vertikal-Pendeln in Betrieb genommen. Sie wurde bis zum 1. Weltkrieg von München aus betreut. Danach ging die Betreuung an die Hauptstation in Jena über. Ende des 2. Weltkrieges kam die dortige Registrierung zum Erliegen. Erst 1955 konnten die Aufzeichnungen wieder aufgenommen werden. Seither wurde die Station Hof wieder von München/Fürstenfeldbruck aus betreut, bis sie 2001 stillgelegt werden musste. 1912 wurde dann eine weitere Nebenstation in Nördlingen errichtet. Ihre Instrumentierung bestand aus einem Mainkapendel, das dort bis 1932 registrierte. 1914 wurde dann noch eine Nebenstation in Hausham errichtet, die mit einem Conrad'schen Horizontalpendel bestückt war und bis 1923 registrierte.

Wiechert'scher astatischer Horizontalseismograph
+Wiechert'scher astatischer Horizontalseismograph

Nachdem in München 1944 die Registrierungen eingestellt werden mussten, konnte erst 1961 der reguläre Betrieb der neugebauten Station Fürstenfeldbruck (FUR) aufgenommen werden (Sprengnetherseismographen mit photo-optischer Registrierung). Leiter der Erdbebenwarte war Prof. Dr. Otto Förtsch. Mit Einführung der Tintenregistrierung wurden dann nach 1970 die ersten Außenstationen in den Alpen errichtet. 1976 konnten erstmals anlässlich des Friaulbebens Nachbebenuntersuchungen mit Digitalapparaturen (PCM5000) durchgeführt werden. Auch der große Bebenschwarm 1985/86 im Vogtland konnte mit diesen Digitalapparaturen beobachtet werden. 2000 waren schließlich 3 analog und 8 digital registrierende Stationen in Betrieb. Ab 2001 wurde dann das aus 23 Stationen bestehende Bayern-Netz durch Installation von 15 neuen und Umrüstung von 8 alten Stationen aufgebaut

Aufgaben, Forschungsschwerpunkte

Betrieb des Bayern-Netzes mit 23 Stationen zur Überwachung der Seismizität von Bayern und angrenzender Gebiete.

Betrieb der Stationen Fürstenfeldbruck (FUR) und Wettzell (WET) des Deutschen Regionalen Seismischen Netzes . Das German Regional Seismic Network (GRSN) wurde ab 1991 installiert. Heute besteht es aus 14 Breitbandstationen, die über ISDN/DSL Anschlüsse von außen zugänglich sind.

Außerdem befinden sich in Bayern noch das Gräfenberg-Array und das Geress-Array (Array entspricht einer Art "seismischen Radar"). Ersteres war ursprünglich für die Untersuchung teleseismischer Ereignisse ausgelegt (Abtastrate 20 Hz), letzteres wurde für Detektionszwecke im Rahmen des atomaren Teststopabkommens installiert. Die Daten beider Arrays sind zugänglich und können ebenfalls zur Auswertung herangezogen werden.

Für das seismisch aktive Gebiet des Vogtlandes existiert eine enge Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Vogtland:  dem Seismologischen Zentralobservatorium Erlangen (SZGRF), der Universität Jena mit dem Observatorium Moxa (MOX), der Universität Leipzig mit dem Observatorium Collm (CLL), der Bergakademie Freiberg mit angegliedertem Observatorium Berggieshübel (BRG), der Universität und der Akademie der Wissenschaften Prag/CZ und der Universität Brünn/CZ. Die Arbeitsgruppe gibt ein gemeinsames "Bulletin of the Vogtland/Western Bohemia Earthquakes" heraus. Das Vogtland ist bekannt für seine Schwarmbebenaktivität, die periodisch auftritt. Etwa alle 75 Jahre kommt es zu Schwärmen mit schadensverursachenden Beben. Der letzte solche Schwarm fand in Dezember 1985 - Januar 1986 in der Tschechischen Republik bei Novy Kostel statt und verursachte noch in Selb und Thiersheim leichte Schäden (Intensität VI). Von besonderem Interesse ist das in Bayern liegende Herdgebiet bei Marktredwitz, wo es ebenfalls zu Bebenschwärmen kommt, die manchmal von der Bevölkerung wahrgenommen werden, ohne bisher jedoch Schäden zu verursachen. Der letzte Schwarm wurde im Oktober 2008 beobachtet.

Die Seismizität der Nordalpen wird zusammen mit den Kollegen des Landeserdbebendienstes Baden Württemberg in Freiburg, der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien/A, des Observatoriums Triest/I und des Schweizer Seismologischen Dienstes in Zürich/CH erfaßt. Von besonderem Interesse für den Erdbebendienst Bayern  ist der Raum Bad Reichenhall, wo häufig Lokalbeben verspürt werden. Diese treten vorwiegend in den Monaten April bis September auf und es gibt einen statistisch nachgewiesenen Zusammenhang zwischen Niederschlagsmengen bzw Pegelständen und Lokalbeben. 1995 konnte eine Bebenserien mit mehreren hundert Mikrobeben mit bis zu 6 Mobilstationen beobachtet werden. 46 Ereignisse konnten genauer lokalisiert werden. Ihre Herde lagen ausnahmslos im Bereich des Staufengebirges nördlich Bad Reichenhall. Ihre Tiefenverteilung erstreckt sich von 0.5km über NN bis 2.5km unter NN. 1999 konnten hier mit einer Mobilstation in wenigen Wochen weit über 1000 Lokalbeben unter dem Staufengebirge registriert werden. Zur genaueren Erklärung dieses Phänomens sind jedoch noch weitere Untersuchungen erforderlich.

Beiträge zum jährlichen Bulletin "Erdbeben in Deutschland" in Zusammenarbeit mit Kollegen der übrigen Bundesländer (Herausgeber Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Hannover (BGR)). Hier werden insbesondere die für Bayern erstellten makroseismischen Karten und Berichte publiziert. Beiträge zum jährlichen "Data catalogue of earthquakes in Germany and adjacent areas" (Herausgeber BGR). Hier werden Einsatzzeiten der einzelnen Stationen und Lokalisationen der lokalen Netze veröffentlicht.

Meldung der seismologischen Daten (Einsatzzeiten, Amplituden, Perioden, Magnituden, Intensitäten) von Lokal-, Nah- und Fernbeben an internationale Dienste (Weltdatenzentrum A in Denver/USA), Europäisches Zentrum in Bruyeres le Chatel/F, International Seimological Center in Newbury/GB). Makroseismischer Dienst in Bayern. Erstellung von makroseismischen Karten bei fühlbaren oder schadensverursachenden Beben, gegebenenfalls in internationaler Zusammenarbeit. Untersuchung und Aufbereitung von Daten zur historischen Seismizität von Bayern, insbesondere Elimination von Fehlinterpretationen, zur Verbesserung von Gefährdungsanalysen.

Das Observatorium war maßgeblich am Aufbau des seismologischen Netzes an der Kontinentalen Tiefbohrung (KTB) und an der Datenauswertung beteiligt. Die Datenbank des KTB-Netzes befindet sich in Fürstenfeldbruck.

Untersuchung der Struktur der Lithosphäre mit Hilfe von teleseismischen Laufzeitresiduen und strahlenseismischen Modellrechnungen. Vergleich von teleseismischen Daten mit theoretischen Seismogrammen, die für allgemein heterogene 3-D Erdmodelle berechnet werden können. Untersuchung der Struktur von Verwerfungszonen, Subduktionszonen, Plumes und anderen geodynamisch interessanten Regionen.

Aufgabe der Erdbebenwarte ist es, wichtige seismologische Informationen, insbesondere bei Schadensbeben im mitteleuropäischen Bereich rasch an die Allgemeinheit weiterzugeben. Hierzu gehört die Information und Beratung von Behörden, Ämtern, Medienanstalten und privatwirtschaftlichen Institutionen.

Bei Bedarf werden seismologische Gutachten erstellt, häufig liefert die Erdbebenwarte Referenzdaten/Referenzmessungen. Im Rahmen von Öffentlichkeitsarbeit und Fortbildung (Schulen, Volkshochschulen, Fachhochschulen, Hochschulen) werden Vorträge und Führungen an der Erdbebenwarte durchgeführt. Die Aufzeichnung der Bodenbewegung der Vertikalkomponente von FUR findet sich als 24 Stunden-Plot stündlich aktualisiert im Internet, ebenso wie Seismogrammbeispiele ausgewählter Beben.

Weiterführende Informationen

Links zu anderen Angeboten

LMU

Bayerisches Landesamt für
Umwelt